Das Konzept

Wer ist die Miteinander Mehrstufenklasse Purkersdorf? 

Die Miteinander Mehrstufenklasse Purkersdorf ist in der Volksschule Purkersdorf angesiedelt und seit 1997 eine erfolgreiche Alternative zum traditionellen Schulbetrieb. Hier werden bis zu 50 SchülerInnen im Alter von 6-10 Jahren mehrstufig von 3 engagierten LehrerInnen und einer Sonderpädagogin, die sich um 4-6 Integrationskinder kümmert, betreut.
Das Hauptaugenmerk der PädagogInnen liegt neben der individuellen Förderung der Kinder auf der Entwicklung von Selbstkompetenz und dem Verantwortungsgefühl für sich selbst und die anderen. Unter dem Motto „Miteinander. Leben. Lernen“ erarbeiten die Kinder den Lehrplan für VolksschülerInnen bzw. Schülern mit erhöhtem Förderbedarf (Inklusion) in einem ganzheitlichen Kontext.

Was ist der pädagogische Hintergrund der Miteinander Mehrstufenklasse?

Das Team der Miteinander Mehrstufenklasse orientiert sich an den Erfahrungen von Maria Montessori, Célestin Freinet sowie von Rebeca und Mauricio Wild.
Wir stehen in ständigem Austausch mit anderen innovativen Schulmodellen, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor.
Die Ideen Marschall B. Rosenbergs zur „Gewaltfreien Kommunikation“ sowie die Erkenntnisse zum Dialog als Gesprächsform von M. und J.F. Hartkemeyer fließen in die pädagogische Arbeit ein.
Auch die Erkenntnisse aus der Lern- und Gehirnforschung (Gerald Hüther, Manfred Spitzer) sowie jene innovativer Schulentwicklungen (Margret Rasfeld) beeinflussen unser tägliches Handeln und die Art und Weise, wie wir Schule machen wollen.
Wir sehen uns als Lehr – und Ausbildungsstätte für PädagogInnen und pädagogisch Interessierte: Pädagogische Hochschulen, Musikuniversität Wien, „Schule im Aufbruch“, NMS Purkersdorf, Gymnasium Purkersdorf, SPZ Purkersdorf

Was wollen wir in und mit der Miteinander Mehrstufenklasse erreichen? 

Mit unseren Methoden des selbstverantwortlichen Lernens und der durchgängigen Kooperation mit allen Beteiligten (LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen) gelingt es in einem partnerschaftlichen Dialog, die Voraussetzungen für lebenslanges Lernen und Kreativität zu schaffen. Aber auch, das unbedingte Bekenntnis zur Gemeinschaft zu schaffen, die die Gesellschaft von morgen unserer Meinung nach so dringend braucht.
Unser Ziel muss es sein, dass die Kinder lebenslang freudvoll lernen. Durch die bei uns erlernte Selbstständigkeit und Selbstorganisation und zielorientiertes Lernen werden sie auf alle möglichen Schultypen optimal vorbereitet.

Welchen Vorteil bringt eine Jahrgangsmischung? 

In der MM-Klasse verbringen Kinder vom 6. bis zum 10. Lebensjahr bzw. vom Beginn bis zum Abschluss der Volksschulzeit gemeinsam den Schulvormittag.
In dieser Zusammensetzung erlebt jedes Kind seine persönliche Entwicklung vom jungen „Schulanfängerkind“, das von den Älteren begleitet und angeregt wird, hin zu der Rolle des Älteren, der nun wieder seinerseits den neuen Schulanfängerkindern als Pate und Lernbegleitung zur Verfügung steht.
Für jedes Kind gilt es somit, in den Jahren seiner Mehrstufenzeit zunehmend Verantwortung zu übernehmen: Für sich selbst und das möglichst selbständige Lernen als auch für die Gruppe als soziales Gefüge. So werden die neuen Lerninhalte erarbeitet, und schon bekannte in der täglichen, gemeinsamen Arbeit mit Jüngeren wiederholt und gefestigt.
Altersgemischte Gruppen, deren Vorteile für die kindliche Entwicklung in der frühkindlichen Pädagogik längst umgesetzt werden, ermöglichen jedem Kind ein ganz persönliches Lern- und Entwicklungstempo, sodass die Kinder nicht aufgrund der Schulstufenzugehörigkeit gefördert werden, sondern aufgrund ihres tatsächlichen Lernstandes.

Inklusion in der Mehrstufenklasse

Die Mehrstufenklasse wird inklusiv geführt – das bedeutet, dass Kinder mit speziellen Bedürfnissen und sonderpädagogischem Förderbedarf im Klassenverband mit dabei sind. Unterstützt werden sie dabei von einer speziell dafür ausgebildeten Sonderpädagogin.
Bis zu 6 Kindern mit besonderem Bedarf können in der MM betreut werden. Wir bieten, abhängig von den Bedürfnissen und Möglichkeiten dieser Kinder sowohl die zeitweise Arbeit in der Kleingruppe, als auch die vollständige Integration in den Tagesablauf an. Manchen Kindern tut es gut, wenn sie Lesen, Schreiben und Rechnen im kleinen Rahmen lernen, andere profitieren davon, wenn sie auch in den Lernfächern in der großen Gruppe mitlernen. Inklusiv findet auf jeden Fall der Unterricht in Musik, Zeichnen, Turnen, Werken, Englisch und Religion statt. Auch diverse Projekte, Feste und „Natur erleben“ finden gemeinsam statt.
Für Kinder mit besonderem Förderbedarf erstellt die Sonderpädagogin einen individuellen Förderplan, es gibt auf den Lernstand des Kindes angepasste Modulpläne und das Kind wird seinem benötigten Lehrplan entsprechend unterrichtet und beurteilt.
Der Kleingruppenunterricht findet in einem der vier Räume (gelber Raum) statt, die uns als Mehrstufenklasse zur Verfügung stehen.

Wie lernen die Kinder in der Miteinander Mehrstufenklasse? 

Im Zuge des allgemein gültigen Lehrplans werden die Kinder sowohl in altershomogenen bzw. altersheterogenen Gruppen unterrichtet. In den „Freien Lernphasen“ bietet hier der Modulplan Orientierung für Kind, Eltern und Pädagoginnen. Im Dialog mit den Lehrerinnen und anderen Kindern lernt jedes Kind seine Stärken und Schwächen kennen und erfährt sein Lernen als seine ganz individuelle Entwicklung.
Wir verzichten auf die strikte Einhaltung der Schulstundeneinheiten von 50 Minuten und auf die Altersdifferenzierung. Der Bildungsprozess jedes Kindes wird von uns Lehrerinnen aufgrund unseres pädagogischen und didaktischen Wissens für jedes Kind individuell strukturiert und vorbereitet.

Welche Bedeutung haben die LehrerInnen beim Lernen? 

Für Kinder stellt sich im Schulalltag immer wieder die Frage: „Was will ich und wie kann ich es erreichen“. Hier übernimmt die Lehrerin/der Lehrer die Rolle des Lernbegleiters.
Wir LehrerInnen sind bemüht, stets anzuerkennen, was da ist, aber auch unsere eigenen Vorstellungen zu formulieren und zu reflektieren. Wir fordern heraus, setzen Ziele, bleiben im Dialog. Und wir unterstützen, wo immer es nötig ist.
Die wichtigste Rolle kommt in diesem so individuellem Lernprozess der jeweiligen Lehrperson zu. Sie....
  • beobachtet und analysiert Lernschritte
  • fordert Arbeitsergebnisse und Vereinbarungen ein
  • strukturiert den Lernstoff in Form von Modulplänen
  • Sie bereitet interessante Themen zum Teil in Abstimmung mit den Kindern vor.
  • Jede Lehrperson hat daher ihre Spezialfächer (z.B. Deutsch, Musik) sowie einen Themenraum mit Materialien für die Freiarbeit. Hier werden die Kinder jahrgangsgemischt und leistungsdifferenziert begleitet, gefordert und gefördert.

Wie wird „Miteinander“ konkret praktiziert? 

Wenn es eine Situation erfordert, treffen einander alle Kinder der MM-Klasse zum Dialog. Das heißt: Wir üben einander zuzuhören, nur von uns selbst zu reden, keine Bewertungen zu geben und mehr übereinander zu erfahren. Im Mittelpunkt steht dabei die Erkenntnis, dass es viele Sichtweisen zu einem Problem gibt und dass alle diese „Wahrheiten“ gleich „richtig“ sind.
Es geht aber auch darum, die Geschichten der anderen zu erfahren und die eigene Geschichte zu erzählen, oder einfach zu spüren, wie jeder jeweils jetzt gerade da ist. Verschiedene Rituale, wie der „Talking-Stick“ oder die „Stille-Kugel“ geben unserem Tun die nötige Struktur.
Die Inhalte des Dialoges sind vielfältig, z.B.
  • in der Garderobe gibt es immer Konflikte
  • beim Spielen im Wald kommt es vor, dass einige Kinder andere stören oder deren Bauten zerstören
  • das Verhalten einiger Kinder auf einem Ausflug war extrem destruktiv. Wie gehen wir damit um?
Die Sichtweisen aller TeilnehmerInnen sind gleichwertig und es muss am Ende nicht unbedingt eine Lösung geben und doch haben alle dazugelernt.
Die Kinder lernen dabei auch, Gefühle in Worte zu fassen, was sowohl für den „Inneren Dialog“, als auch für den „Dialog miteinander“ von Bedeutung ist.

Wie wird der Lernfortschritt dokumentiert? 

Im LOG-Buch sind in Form von Lernzielen alle Lerninhalte des Lehrplans aufgelistet. Regelmäßig werden erreichte Lernziele durch die Pädagoginnen unabhängig vom Lernjahr dokumentiert. Im Log-Buch werden die fertigen Modulpläne inklusive Überprüfungsblätter verwahrt.
Zur Selbstreflexion füllen die Kinder einen Feedback-Stern aus. Der Feedbackstern ist ein grafisches Instrument der Selbsteinschätzung für SchülerInnen ab dem 3. Lernjahr. Er ist dreigeteilt und betrifft die Eigenwahrnehmung bzw. Fremdwahrnehmung in folgenden Bereichen:
  • Leistung in den verschiedenen Fächern
  • Arbeitshaltung und soziales Miteinander
Der Feedbackstern wird jeweils vom Kind und von den Lehrerinnen zweimal pro Arbeitsjahr ausgefüllt, und dann beim KEL gegenübergestellt. Anschließend bleibt er zur Ansicht im LOG-Buch.
Vor jedem halbjährlichen Kind-Eltern-Lehrer-Gespräch bekommen die Eltern das LOG-Buch zur Einsicht um sich einen Überblick zu verschaffen. An einem gemeinsamen Termin dürfen die Kinder ihre Werke präsentieren und besondere Arbeiten vorstellen.

Das KEL-Gespräch

Nicht ÜBER, sondern MIT dem Kind sprechen!

Im Semester findet mit jedem Kind ein KEL-Gespräch statt (Kind-Eltern-Lehrer-Gespräch). Dabei sind jeweils eine Lehrerin (Gruppenlehrerin), das Kind und seine Eltern anwesend. Das Kind präsentiert seine selbstgewählten Leistungsnachweise indem es erstelltes Material vorstellt, Hefte herzeigt und erklärt, wie es zu seinen Arbeitsergebnissen gekommen ist. Die anwesende Lehrerin ergänzt, zeigt Lernfortschritte auf und bespricht die nächsten Inhalte mit Kindern und Eltern. Das Log-Buch und der Feedbackstern sind dabei Grundlage des Gespräches.

Große Leistungsschau am Ende des Schuljahres: Der Herzeigtag

Hier präsentieren die SchülerInnen ihre Leistungen öffentlich auf dem sogenannten „Herzeigtag“. Vor Eltern, Verwandten und Interessierten präsentieren die Kinder ihre Leistungen und Interessensgebiete in Form von Kurzreferaten und Ausstellungstischen auf einer Bühne und in sämtlichen Räumlichkeiten der MM. An dieser Veranstaltung nehmen regelmäßig mehr als 200 Gäste teil.

Newsletter: monatlich

In einem monatlichen Newsletter werden die Eltern über geplante Termine und Veranstaltungen informiert. Weiters wird hier auch Denkanstoß und Reflexion zu gerade aktuellen pädagogischen Themen gegeben. So machen wir die Eltern immer wieder mit unserer Arbeitsweise vertraut, geben Einblick in unseren Schulalltag und Möglichkeiten zur Diskussion.

Hospitation: nach Vereinbarung

Eine weitere Möglichkeit des Einblicks der Eltern in den Schulalltag bietet die ständige Möglichkeit der Hospitation in der Klasse. So können die Eltern ihre Kinder im Klassenverband erleben und uns Lehrerinnen in der Interaktion mit ihrem Kind. Die daraus gewonnenen Einsichten bilden dann die Grundlage für Entwicklungsgespräche und helfen allen Beteiligten ihre Arbeit gemeinsam zu verbessern und Vertrauen zu haben.

Entwicklungsgespräche

Bei Bedarf führen wir Entwicklungsgespräche durch, in denen wir uns darüber austauschen, was wir an Entwicklungen wahrnehmen, und wie es uns gerade mit dem jeweiligen Kind geht.

Dabei sind wir bemüht, den gleichwürdigen Dialog zu wahren, keine Wertungen vorzunehmen und die Sichtweise der Eltern als wichtige Hilfestellung für unsere Arbeit zu akzeptieren, oder – wenn nötig – Meinungsverschiedenheiten aufzuzeigen. Wenn die anwesenden Kinder erleben, dass der Dialog zwischen ihren wichtigsten Bezugspersonen gelingt, können wir davon am Vormittag in der Unterrichtsarbeit mit den Kindern direkt profitieren und uns selbst als Menschen wieder ein Stück weiter entwickeln.

Welche Rolle spielen die Eltern in der Miteinander Mehrstufenklasse? 

Die Eltern der Kinder sind unsere wichtigsten PartnerInnen und werden von uns bei Entscheidungen mit eingebunden und informiert. Denn nur die Wertschätzung und Anerkennung der Leistungen des Kindes und die genaue Kenntnis dessen, was in der Schule und zu Hause passiert, ermöglicht es uns, miteinander weiter zu lernen.

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